14 May 2020
Unser Anime Intro – Part 1: Vorproduktion
Wie vermutlich schon viele von euch mitbekommen haben, ist es bei uns Tradition, das “jährliche” Showreel in einen Kurzfilm zu verpacken. Das Jahr 2019 war natürlich keine Ausnahme, weshalb unser Unter freiem Himmel Anime Intro das Licht der Welt erblickte.
Aber was ist dieses "Anime", wie kam das Intro zustande und wieso trägt Michi darin Strumpfhosen?
Mein Name ist Martin, diese Animation war Teil meiner Bachelorarbeit, und ich werde euch ein paar dieser Fragen beantworten. Weil uns dieses Projekt aber sehr am Herzen liegt und es viel zu viel darüber zu erzählen gibt, werde ich heute ausschließlich über die Vorproduktion sowie die Ideenfindung schreiben und erst in der Fortsetzung auf die Nuancen der Umsetzung eingehen.
Also ...
Wie so oft findet sich der Ursprung dieser Idee in den 90ern. Das Nokia 3210 erblickt das Licht der Welt, "Anton aus Tirol" ist auf Platz 1 in den Charts und japanische Importe wie Tamagotchi, Nintendo Konsolen und Anime Serien waren der neueste Trend unter pubertierenden Teenagern. In dieser Zeit haben Serien wie Dragonball Z, Sailor Moon und Captain Future einen tiefen Eindruck in Bens, Gernots und Michis Köpfen hinterlassen sodass die drei bis heute noch leidenschaftliche Anime Fans sind.
Die Musik der Intros dieser Anime-Serien war berüchtigt für ihre Ohrwurm-Qualität und haben sich auf ewig ins Langzeitgedächtnis zahlreicher 90s-Kids verewigt. Deswegen war es nur eine Frage der Zeit bis die drei sich einen Traum erfüllen würden und selbst ein Ohrwurm-Intro kreieren. Und ich hatte das Glück mich genau zur richtigen Zeit für ein Praktikum bei Unter freiem Himmel beworben zu haben. Ich selbst bin ein großer Fan dieser Serien und spezialisiere mich auf handgezeichnete Animation, wie sie auch für die Produktion von Animes verwendet wird und war natürlich sehr begeistert, Teil dieses Projekts sein zu dürfen.
Somit begannen wir im Februar mit der Konzeptionsphase.
Die Charaktere
Der erste Schritt war es, die drei Burschen in glaubwürdige Anime Charaktere zu verwandeln. Hierfür wurde reichlich recherchiert (aka Anime geschaut).
Verschiedenste Anime Serien und vor allem deren Intros wurden genau unter die Lupe genommen und diskutiert. Wir hielten insbesondere Ausschau nach klischeehaften Situationen und Charaktereigenschaften die womöglich zu den drei Jungs passen könnten. Daraus entstanden Unmengen an Skizzen mit dem Motto: “Alles an die Wand werfen und sehen was kleben bleibt.”
Hier ein kleiner Einblick:
Nach langem Hin und Her entschieden wir uns letztendlich für diese drei Varianten:
Michi - der Filzstift schwingende Samurai mit kaputtem Fahrrad
Da Michi der Illustrator der Firma ist, war von Anfang an klar, dass er mit einem Stift bewaffnet sein wird. Diese Idee wurde mit einem klassischen Samurai Klischee kombiniert, welches ich am besten mit dieser Zeichnung beschreiben kann.
Wir waren vor allem von den Serien Naruto und One Piece in der Gestaltung von Michis Charakter inspiriert. Zusätzlich haben wir sein oft kaputtes Fahrrad als Vorwand benutzt um einen Akira Bikeslide einbauen zu können.
Gernot – "pretty boy" mittleren Alters der mit Musik seine Fans entkleidet und mit seinem schlauen Notizbuch Bösewichte bekämpft
Gernot ist bei Unter freiem Himmel vor allem für Konzepte, Sounddesign und das “Bezirzen” von Kunden zuständig. Deshalb haben wir den charismatischen Charmeur a la Tuxedo Mask von Sailor Moon mit einem Rockstar kombiniert. Zusätzlich trägt er immer ein kleines Notizbuch mit sich, das er zum Schmieden cleverer Pläne verwendet. Hierfür wurden wir von der Serie Golden Boy inspiriert.
Ben - muskulöser Marionettenspieler im 80s Outfit mit Glänzi-Stirn und sich stetig ändernden T-Shirt Texten
Für Bens Charakter hatten wir von Beginn an einen dramatischen Puppenspieler geplant, da das nicht weit davon entfernt ist, was Ben in der Firma macht: Charaktere animieren. Zusätzlich waren wir von der Freizeitbekleidung von diversen Dragonball Z Charakteren beeinflusst. Grelle 80er Outfits mit scheinbar willkürlichen Wort-Aufdrucken wie z.b. "Postboy" oder "Badman". Deshalb entschlossen wir uns Ben in jeder Szene des Intros einen anderen arbiträren T-Shirt Aufdruck zu geben. Zu guter Letzt wollten wir noch eine Hommage an Hemd zersprengende Muskelprotze, wie man sie aus Das Schloss im Himmel oder Fullmetal Alchemist kennt, darbieten. In meinen Augen war Ben der perfekte Kandidat dafür.
Neben dem Recherchieren und Zeichnen wurden auch kleine Animationstests und Storyboards erstellt. Diese zeigen die Charaktere im Kampf gegen gegnerische Monster und halfen dabei, unsere Helden weiter zu entwickeln. Diese Tests sind vergleichsweise sehr grob und unvollständig, die Ideen haben es aber teilweise ins richtige Intro geschafft, wie z.B. Michi, der das Monster anmalt.
Nach all der Konzeptionsarbeit hatten wir schon reichlich Vorstellungen, wie das Intro in etwa ablaufen könnte. Da der Animationsprozess aber sehr zeitaufwendig ist, mussten wir viele Ideen aufgeben bzw. kürzen. Außerdem haben wir uns für eine Introlänge von maximal 50 Sekunden beschränkt. Diese sind dafür randvoll gepackt mit Action, Drama und Anime-Klischees!
Da wir nun ein grobes Bild der Handlung und der Charaktere vor Augen hatten, konnte das finale Erscheinungsbild der Charaktere festgelegt werden.
Das Charakterdesign
Es war wichtig, dass die drei Burschen auf den ersten Blick wiedererkennbar sind. Da sie aber alle in etwa dieselbe Gesichtsbehaarung haben, mussten Anime-Michi und Anime-Gernot reichlich Bart an Anime-Ben abgeben. Dieser bekam in seiner Muskelform auch glorreiches Brusthaar. Erkennungsmerkmale wurden generell hervorgehoben: Michis Brille wurde größer, Gernots Blick intensiver und Bens Augenbrauen spektakulärer.
Die Designs wurden eher minimalistisch gehalten, damit sie schnell gezeichnet werden konnten. Um dem detailreichen Anime-Standard aber etwas näher zu kommen, wurden Schatten und Highlights verwendet. Somit erschienen die Charaktere dreidimensionaler und die Schatten konnten als dramaturgisches Werkzeug verwendet werden. Elemente wie das Haar oder die Kleidung wurden mit simplen Formen gestaltet, sodass sie später einfach zu animieren waren und den Bewegungen etwas mehr Dynamik geben konnten. Schlussendlich wurden die drei noch in individuellen Farben gekleidet und voilà!
Zusätzlich zu den normalen Model-Sheets habe ich noch simplifizierte Guides erstellt, die später beim groben Animieren hilfreich waren. Hier sind nur die Grundformen und Proportionen der Charaktere zu sehen.
Mit diesen Sheets hab ich anschließend meinen Arbeitsplatz zugepflastert, damit ich beim Zeichnen immer eine passende Referenz im Blickfeld hatte.
Und somit war die Vorproduktion abgeschlossen, das Konzept war in Stein gemeißelt und die Produktion konnte beginnen. Ich hoffe, ich konnte euch damit einen ersten guten Einblick in die Vorproduktion unseres
Showreels geben. Im nächsten Blogpost setze ich mich mit der Produktions-Pipeline, den verwendeten Techniken und Animation Breakdowns auseinander.
Bis dahin!
(Martin Wunderl)